Absender:
███████ ███████
████████████ ██
█████ ██████
An das
Land Schleswig-Holstein Innenministerium
Abteilung Landesplanung, Personal, Haushalt Düsternbrooker Weg 104
24103 Kiel
Stellungnahme zum 2. Entwurf der Teilaufstellung des Regionalplans Planungsraum II, Sachthema Windenergie Vorranggebiete Windenergie und Vorranggebiete Repowering Fläche PR2 RDE 106
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit nehme ich zum o.g. Vorranggebiet wie folgt Stellung:
Unbeeinträchtigte Landschaft in Bissee und Umgebung
Das Vorranggebiet PR2_RDE_106 zwischen Bissee und Groß Buchwald liegt in einer Region, die sich landschaftlich noch in einem sehr ursprünglichen Zustand befindet und etliche Kulturdenkmale aufweist (Katen in Bissee, Schmiede in Groß Buchwald, Kirche in Brügge, Klosterkirche Bordesholm, Gut Bothkamp, Hof Siek, Brautberg). Das Landschaftsbild ist frei von Belastungen (wie z. B. Masten, Schornsteinen oder bestehenden Windkraftanlagen (WKA)), sodass aufgrund der Topographie der Region ein weiter unverbauter Blick möglich ist. Dass dies noch so ist, liegt im Wesentlichen daran, dass das Gebiet unmittelbar von zwei Landschaftsschutzgebieten umgeben ist (LSG Dröge Eider und Eiderkanal und LSG Bisseer Gehege), die u.a. den Erhalt des weitgehend von Bebauung freien Landschaftsbilds zum Ziel haben. Man findet hier ein einmaliges Landschaftsbild vor, das über Jahrzehnte (auch mit wirtschaftlichen Einschränkungen der örtlichen Landwirtschaft) aufgebaut und über mehrere Generationen bewahrt wurde. Das Gebiet besitzt einen besonderen Wert, den es mit der Errichtung von WKA (und ggf. Stromtrassen) und den Ausbau einer Struktur für den Werksverkehr (der zu erheblichen Teilen über der Fläche von Landschaftsschutzgebieten geführt werden müsste) unwiederbringlich verlieren würde.
Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass ein derart „ursprüngliches“ Gebiet als ein Vorranggebiet für Repowering ausgewiesen wird, in dem mit 200 m hohen und damit sehr landschaftsprägenden Anlagen zu rechnen ist. Die Ausweisung widerspricht zudem den Aussagen im Raumordnungsgesetz, wo es heißt, „Kulturlandschaften sind zu erhalten und zu entwickeln. Historisch geprägte und gewachsene Kulturlandschaften sind in ihren prägenden Merkmalen und mit ihren Kultur- und Naturdenkmalen zu erhalten.“
Ebenfalls nicht berücksichtigt bei der Auswahl des Gebietes ist die prägende Knicklandschaft und die inselartigen Waldparzellen, die bedeutende Funktionen für den ökologischen Lebensraumverbund haben.
Ich fordere die Landesregierung auf, den Landschaftsschutz angemessen zu berücksichtigen.
Vorranggebiet Repowering
Die Fläche PR2_RDE_106 war im Planentwurf 2016 als Vorrangfläche für Windkraft ausgewiesen. In der aktuellen Planung ist sie als Vorrangfläche für Repowering ausgewiesen, ohne dass dies begründet wird. Ebenso wenig wird deutlich, welche Auswirkungen diese qualitative Veränderung haben wird. Wie bereits oben erwähnt ist hier mit Anlagen von 200 m Höhe zu rechnen, deren Auswirkungen auf Immissionen etc. nicht berücksichtigt wurden.
Im Entwurf zum Regionalplan II Fachthema Wind heißt es zum Thema Repowering: „Das Orts- und Landschaftsbild innerhalb des räumlich-funktional zusammenhängenden Landschaftsraums, in welchem ein Vorranggebiet Repowering ausgewiesen ist, soll nicht mehr als bisher beeinträchtigt werden. Daher soll auf eine räumliche Nähe zwischen abzubauenden Altanlagen und neuen Anlagenstandorten geachtet werden“.
Ich weise darauf hin, dass in räumlicher Nähe zum Gebiet keine WKA vorhanden sind, die abgebaut werden sollen - allerdings werden schon neue Anlagen südlich der Gemeinde Groß-Buchwald aufgebaut. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass durch die Ausweisung eines Vorranggebiets für Repowering eine zusätzliche Belastung der unberührten Landschaft entsteht. In der Abwägungsentscheidung wird bereits auf diesen Widerspruch verwiesen. Diese Entscheidung ist völlig unverständlich und intransparent.
Grundlage für die Berechnung von Mindestabständen (Referenzanlagen) und gesundheitliche Aspekte
WKA erzeugen diverse Immissionen, die gesundheitliche Folgen für Mensch und Tier haben können. Bei dem Immissionsschutz müssen besonders empfindliche Personengruppen berücksichtigt werden (Schwangere, Kinder, alte und kranke Menschen). Dieses ist nicht ausreichend erkennbar und muss überprüft werden.
In der TA Lärm (Technische Anweisung von 1998) beziehungsweise den aktualisierten LAI-Hinweisen (Länder Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz)
2018 werden Referenzanlagen von WKA mit 30 m (TA Lärm) und 150 m (LAI) angegeben. Es werden vom LLUR jedoch seit 2014 Anlagen bis 200 m Höhe genehmigt. Die errechneten Immissionen sind bei dieser Höhe unbedingt mit den tatsächlichen neu zu überprüfen (150 m gegen 200 m), da es sich gezeigt hat, dass die errechneten Werte der TA Lärm mit den tatsächlich vorhandenen Lärmwerten nicht übereinstimmten.
Außerdem soll die TA Lärm für Tag-Lärm weiterhin gelten, die neuen Regelungen der LAI werden nur nachts angewendet (laut MELUND S-H vom 1.2.2018 zum Thema Immissionsschutz). Das ist nicht plausibel.
Die „Nigth Noise Guidelines for Europe“ der WHO (2009) sprechen bei erhöhten Immissionen sowohl am Tag als auch nachts von evidenten Gefahren für die öffentliche Gesundheit.
Der Infraschall wird in den für die Planung herangezogenen Richtlinien nicht ausreichend in seiner gesundheitlich schädigenden Wirkung berücksichtigt. Neueste Studien aus Dänemark (A. Harbo Poulsen et al. 2018 „Short-term nighttime wind turbine noise and cardiovaskular events: A nationwide case-crossover study from Denmark) legen nahe, dass Infraschall von Windkraftanlagen in Gebäuden nachts Herzinfarkt und Apoplex (Schlaganfall) auslösen kann.
Aus anderen Untersuchungen werden Schlafstörungen, vermehrte Fehlgeburten, auch bei Tieren, Depressionen und weitere Erkrankungen in Zusammenhang mit den Frequenzen von 1-16 Hz (Infraschall) gebracht. Weiterführende Studien sind für BGA, BUA, Deutschem Ärztetag, AEFIS (Ärzte für Immissionsschutz) zu diesem Thema unbedingt notwendig. (Rechtzeitig vor dem Aufstellen der WKAÜ Anmerkung der Verfasser)
Beeinträchtigungen gesundheitlicher Art durch Schattenwurf und Beleuchtungssysteme (Blinken) müssen unbedingt vermieden bzw. überprüft werden. Die Rotorenblätter bestehen zumeist aus glasfaserverstärktem Kunststoff, teils in Verbindung mit Aluminium. Die Geschwindigkeit am Rotorblattende kann weit über 300 km/h betragen. Abriebkräfte durch den Wind könnten zu Mikroplastikeintrag in die Umwelt (Luft, Wasser, Erde) und in die Nahrungskette führen. Dieses gilt es rechtzeitig zu überprüfen.
Auch der Schutz vor Eiswurf durch die Rotorblätter bei solchen hohen Geschwindigkeiten muss gewährleistet sein.
Der Gesundheitsschutz und die Risikovorsorge der Bevölkerung vor dem privilegierten Vorhaben Wind Energie muss ausreichend neu überprüft werden.
Natur- und Artenschutz
Rotmilan: Er ist seit vielen Jahren in der Region in der warmen Jahreszeit heimisch. Im Sommer 2018 wurden im Bisseer Gemeindegebiet, insbesondere im Bereich der Drögen Eider bzw. der geplanten Vorrangfläche in Richtung Groß-Buchwald mehrfach 3 Rotmilanpaare beobachtet. Es ist davon auszugehen, dass diese im Gebiet brüten, auch wenn die genauen Horststandorte aktuell nicht bekannt sind. Ich fordere daher die Landesregierung auf, die bisher zugrundeliegenden Daten durch aktuelle Gutachten zu verifizieren und die Rotmilanvorkommen im Gebiet bei der Ausweisung der Vorranggebiete zu berücksichtigen.
Fledermäuse: Ein hohes Konfliktpotential ergibt sich außerdem durch die Lage mit nur durchschnittlich 500 m Entfernung an das FFH-Gebiet DE 1725-392 „Gebiet der oberen Eider inkl. Seen“, ein Gebiet mit besonderer Bedeutung für den Fledermausschutz. Für die Teichfledermaus wird der Erhalt aller Wochenstuben, störungsarmer Fließgewässersysteme sowie insektenreicher Jagdgebiete gefordert. Das dichte Knicknetz trägt zur Habitateignung dieser Fläche bei.
Weiterhin wird nicht berücksichtigt, dass das Gebiet aufgrund seiner Lage zwischen zwei Naturschutzgebieten als Flugachse vieler Wasservögel und des Kranichs von Bedeutung ist. Außerdem werden regelmäßig rastende Singschwäne beobachtet, 2018 zum ersten Mal eine Brut von Singschwänen.
Schutzgut Klima
Die für den Regionalplan zum Sachthema Windenergie relevanten Ziele des Umweltschutzes werden im Planentwurf präzisiert. In einer Tabelle wird unter dem Schutzgut Klima / Luft zwar die Minderung der Treibhausgasemissionen auf Grundlage des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 aufgelistet, findet jedoch in der weiteren Bewertung im Umweltbericht keine Beachtung. Insbesondere wird nicht auf die Veränderung der kleinklimatischen Verhältnisse durch die WKA selbst eingegangen, die durch Windverwirbelung und Wärmeabgabe der Anlagen entstehen.
Ich fordere die Landesregierung auf, dieses zu überprüfen
Kritik am Beteiligungsverfahren- Veränderung der Kriterienstärke
Im Verfahren wurden sowohl Flächen als auch Kriterien verändert, ohne dies zu begründen. Es ist begrüßenswert, dass das Schutzgut Mensch höher bewertet wurde, und die Abstände zur Wohnbebauung vergrößert wurden, auch wenn diese noch nicht ausreichend sind. Allerdings ist es nicht nachvollziehbar, dass deswegen das Gewicht anderer Kriterien, wie z. B Kriterien des Natur- und Landschaftsschutzes (Absenkung des Freihaltebereichs von Rotmilanbrutplätzen von 1500 auf 1000 m) „abgewertet“ wurden.
Diese fehlende Transparenz kritisiere ich und fordere die Landesregierung auf, Aufklärung zu leisten.
Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
Aus meiner Sicht verstößt die Errichtung von WKA im Gebiet PR2_RDE_106 auch gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit. Das Land Schleswig-Holstein könnte rechnerisch aktuell seinen Energiebedarf mit regenerativer Energie zu über 100 % decken. Der erzeugte überschüssige Strom muss jetzt schon an andere Länder verkauft werden. Dies lässt sich aber nur bedingt umsetzen, weil nicht ausreichend Strukturen geschaffen sind, die den Transport des erzeugten Stromes zu den Abnehmern überhaupt auch innerhalb des Landes S.-H. ermöglichen. Insbesondere fehlen immer noch sinnvolle Speichermöglichkeiten für den produzierten Strom. Gemäß Art. 1 Abs. 3 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG der Verfassung ist das Gebot der Verhältnismäßigkeit für die gesetzgebende Gewalt, öffentliche Verwaltung sowie die Justiz bindend. Dies bedeutet, dass sämtliche gerichtlichen Entscheidungen, Verwaltungsakte und Gesetze dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen müssen. Diesen Grundsatz sehe ich in der Ausweisung der Fläche PR2_RDE_106 verletzt.
Damit eine Maßnahme, die in Grundrechte eingreift (bezogen auf die o.g. Flächenausweisung ist u.a. das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder der Tierschutz berührt), nicht rechtswidrig ist, muss sie dem kompletten Begriff der Verhältnismäßigkeit genügen. Im Falle des PR2_RDE_106 lässt sich zwar ein legitimer Zweck und mit Abstrichen die Geeignetheit der Maßnahme beschreiben, die Erforderlichkeit muss allerdings stark in Zweifel gezogen werden und die Angemessenheit gänzlich verneint werden, denn:
Auf der einen Seite wird durch die Abstände zu Wohnsiedlungen ohne Beachtung vieler Alternativen eine gesundheitliche Beeinträchtigung der Bevölkerung durch Ignorieren von Gutachten oder das Vermeiden von der Erstellung zeitgemäßer Gutachten in Kauf genommen, es wird ein Landschaftsraum für die dort lebenden Menschen erheblich entwertet und ein Naherholungsgebiet empfindlich geschädigt. Auf der anderen Seite ist eine Wirtschaftlichkeit (von der lediglich wenige einzelne Personen in der Region profitieren) nur über Subventionen hergestellt. Der Bedarf, Energie speziell auf der ausgewiesenen Fläche 106 zu produzieren, ist aus meiner Sicht nicht vorhanden.
Die Abwägung einer Angemessenheit ist für das Gebiet PR2_RDE_106 nie nachvollziehbar und erkennbar durchgeführt worden und für mich ist so der Schluss zulässig, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Planungsverfahren bewusst ausgeschlossen wurde, um Einzelinteressen zu bedienen. Bei der Tragweite der Entscheidung hätte er aber als Teil des Rechtsstaatsprinzips unabdingbar einfließen müssen. Im Ergebnis greift der Staat aus meiner Sicht hier deutlich härter ein bzw. durch, als es erforderlich ist.
Bissee, 20.12.2018